Forum Winterthur

17.09.2025 | Marla Fehlmann
Digital bauen statt Papier schieben

Wer heute ein Baugesuch im Kanton Zürich einreichen will, muss nicht mehr mit dicken Papiermappen zur Stadtverwaltung pilgern. Seit April 2024 ermöglicht das kantonale System „eBaugesucheZH“ die vollständig digitale Eingabe, inklusive Signatur, Akteneinsicht und der öffentlichen Auflage. Winterthur kennt schon länger ein eigenes System und führt den kantonalen Prozess im 2. Semester ein. Ab 2027 soll dieses Verfahren für alle Zürcher Gemeinden verpflichtend werden. Doch bringt dieser Schritt tatsächlich mehr Effizienz?

Das Ziel ist klar: Weniger Verwaltungsaufwand, schnellere Abläufe, mehr Transparenz. Die digitale Abwicklung erleichtert es, Routineaufgaben zeitsparend zu erledigen. Pläne lassen sich per Mausklick einreichen, automatisch an die richtigen Stellen weiterleiten und jederzeit einsehen. Alle Beteiligten haben so gleichzeitig Zugriff auf die Unterlagen, selbst aus dem Homeoffice. Eine interne Zirkulation der Bauakten ist nicht mehr nötig. Bauämter und Bauende sparen sich das Sortieren, Scannen und Archivieren von Papierdossiers. Dies spart Zeit und Nerven.

Wer glaubt, dass ein digitaler Prozess den gesamten Aufwand halbiert, irrt sich. Denn die Beratung bleibt komplex und individuell, egal ob digital oder analog. 

In der Stadt Zürich wurde die Digitalisierung der Baugesuche zeitweise zum Bumerang: Das neue System führte mangels kantonaler Rechtsgrundlage zur doppelten Dossierführung, digital und auf Papier.  Überlastete Behörden und wachsende Aktenberge wirkten sich negativ aus auf die ohnehin schon viele zu lange dauernden Bewilligungsverfahren. Zwischenzeitlich verdoppelte sich die durchschnittliche Bearbeitungsdauer, im Vergleich zum Jahr 2015. Erst seit der Prozessoptimierung 2023 zeigt sich eine Entspannung, was Architekten bestätigen. Mit wenigen Ausnahmen kann heute alles elektronisch eingereicht werden. Spezifische Kopien (z.B. Exemplare für die Baustellen) braucht es noch immer. Billiger ist es nicht geworden und schneller auch nicht. Etliche Prozesse in der Verwaltung sind nicht abschliessend durchgedacht/optimiert, so können z.B. Planänderungen nicht einfach aufgeladen werden. Das Tool ist teilweise ineffizient und das Zusammenspiel mit Kreis/Stadtarchitekten nicht fertig durchdacht bzw. noch nicht ausgereift. 

In Winterthur arbeitet man wie erwähnt seit Jahren mit einem eigenen, funktionierenden System, ohne doppelte Dossiers. Die gesetzlichen Fristen werden in 88% der Fälle eingehalten, aber auch hier besteht noch Optimierungspotential. Die Prozesse haben sich dem Vernehmen nach grundsätzlich verbessert, es besteht aber noch Verbesserungspotential z.B. bei Auflagen, Rekursen und zu leistenden Nachweisen, aber auch in der Kommunikation von Fortschritten seitens der Stadtverwaltung. Grundsätzlich ist zu hoffen, dass klare Prozesse die Abhängigkeit von Schlüsselpersonen vermindert und auch die Bearbeitungszeit beschleunigt werden sollte.

Der Entscheid, bis spätestens 2027 alle Gemeinden auf das digitale Verfahren umzustellen, mag richtig sein. Er schafft Klarheit. Kein Flickenteppich mehr aus digitalen Pilotprojekten hier und Papierdossiers dort. Stattdessen: Einheitliche Standards, gleiche Voraussetzungen, faire Prozesse für alle Beteiligten.

Die Digitalisierung des Baubewilligungsverfahrens ist eine Antwort auf die Komplexität unserer Zeit und auf den wachsenden Anspruch, die Verwaltung bürgernah, effizient und ressourcenschonend zu gestalten. Der Kanton Zürich hätte seinen Vorstoss aber auch schon vor Jahren angehen können. Es ist ein Projekt mit Hürden, aber auch mit grossem Potenzial für einen echten Fortschritt. Die Digitalisierung ist längst überfällig. Hoffen wir, dass die Ziele erreicht werden. 

In Winterthur muss man sich die Frage stellen, was die Konsequenzen des kantonalen Systems sein werden. Kann das eigene System integriert oder muss dieses abgeschrieben werden? Werden Baubewilligungsverfahren beschleunigt, effizienter und billiger und welche Effizienzgewinne ermöglichen die neuen Prozesse in der städtischen Verwaltung?

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