25.09.2023
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Mehr Marktwirtschaft in der Migrationspolitik

Die Migration bewegt die Gemüter nicht nur weil Wahlkampf ist, sondern weil die wachsende Bevölkerung immer stärker unsere Infrastruktur belastet, immer mehr Leute unter Dichtestress leiden und das Zusammenleben von Menschen aus immer unterschiedlicheren Kulturen herausfordernd und anstrengend sein kann. Niemand will sich fremd und eingeengt in der eigenen Heimat fühlen.

Die Schweiz hat in ihrer Geschichte immer wieder von Einwandern profitiert. Viele heute erfolgreichen Unternehmen wie Nestlé, ABB oder viele Uhrenfirmen wurden von initiativen Einwanderern gegründet. Auch Forscher und Ingenieure ausländischer Herkunft leisteten und leisten immer wieder einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Unternehmen. Ohne einen internationalen Lehrkörper und die ambitioniertesten Studierenden aus aller Welt wären nicht so viele Schweizer Universitäten und Hochschulen unter den Besten der Welt. Erfolgreiche Länder und Regionen sind nun einmal Wohlstands-Magnete und ziehen Menschen an, die ein besseres, erfüllteres Leben suchen. Zudem betreiben wir in der Mitte von Europa eine sehr erfolgreiche Exportindustrie, mit der EU als grösste Kundin, die als eine der Bedingungen für einen präferierten Marktzugang auf Personenfreizügigkeit beharrt.  Unsere Wirtschaft ist auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen, da der einheimische Arbeitspool offenbar zu klein ist.

Was nun? Freie Fahrt in die 10-Millionen-Schweiz? Nachvollziehbare Ängste politisch gezielt schüren und zurück in eine merkantilistische Welt von Kontingenten und Saisonnier-Statut? Abkehr von der Willensnation, die allein unserer eigenen heterogenen Herkunft (Sprache, Konfession) gerecht zu werden vermag, hin zur Bevorzugung von Herkunft und Abstammung? Den schmalen Grat zwischen berechtigen Anliegen und keimender Fremdenfeindlichkeit weitergehen und warten bis die ersten abrutschen? Nein, es gibt bessere Wege, weltoffen und wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben aber unsere nationale Wertegemeinschaft eigenständig zu erhalten: Die Migration ist über Preissignale effizient zu steuern und die Konsequenzen des Erfolges sind bewusst zu gestalten.

Wer heute in die Schweiz einwandert, profitiert von stabilen politischen Verhältnissen, einem verlässlichen Rechtssystem, das Eigentumsrechte schützt, guten Schulen, einer leistungsfähigen Infrastruktur und gut ausgebauten Sozialsystemen. Man kann heute dem ‘Club Schweiz’ beitreten, ohne eine Eintrittsgebühr zu bezahlen. Das gilt für das zusätzliche Club-Mitglied, aber insbesondere für diejenigen, welche die Einladungen aussprechen: Die Unternehmen.  Heute ist es für Unternehmen leider verlockend, eher fertig ausgebildete ausländische Fachkräfte zu rekrutieren als in die Ausbildung des eigenen Nachwuchses zu investieren, die Produktivität zu steigern oder gesellschaftliche Massnahmen zur Steigerung der Arbeitsmarktpartizipation mitzutragen. Und dies würde tendenziell auch mit Kontingenten so bleiben, denn gerade die grössten und erfolgreichsten Firmen würden sich im unvermeidlich bürokratischen Prozess durchsetzen. Die Neuankömmlinge lösen aber Kosten für alle bisherigen Club-Mitglieder aus: Sie benutzen dieselbe Infrastruktur, dieselben Freizeitmöglichkeiten, ihre Kinder dieselben Schulen und es kann bemühend werden, wenn man an der Club-Versammlung als Eingesessener sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Aus Marktsicht ist die heutige Regelung der wirtschaftlich getriebenen Migration und insbesondere der Personenfreizügigkeit suboptimal, weil sie keinen Preis für die Effekte auf die bestehenden Club-Mitglieder verlangt. Wenn wir der Wirtschaft weiterhin Zugang zum globalen Talent-Pool geben und eine offene, Gesellschaft aufrechterhalten wollen, dann darf Einwanderung nicht mehr gratis ein. Wir schlagen deshalb vor, dass alle Betriebe, die neu Mitarbeiter aus dem Ausland rekrutieren, über zwei Jahre verteilt eine einmalige Abgabe von 50% des Jahressalärs des entsprechenden Mitarbeiters bezahlen müssen. Mit dieser Abgabe an den Wohnkanton des neuen Club-Mitglieds sollen Aus- und Weiterbildungsprogramme von bereits in der Schweiz ansässigen Arbeitnehmern finanziert sowie Beiträge an Infrastruktureinrichtungen wie Spitäler und Schulen geleistet werden. Dank den zusätzlichen finanziellen Mitteln könnte zum Beispiel der Numerus Clausus fürs Medizinstudium aufgehoben oder die Weiterbildung in den Gesundheitsberufen gefördert werden. Die finale Zweckbindung dieser Abgabe wäre noch genauer zu diskutieren. 

Ein nicht unwesentlicher Teil der zunehmenden Migration entfällt auch auf Asylsuchende. Das Asylsystem stösst nicht nur in der Schweiz, sondern ganz generell in Europa an Grenzen. Es ist ja verständlich, dass Menschen, die aus welchen Gründen auch immer verfolgt werden, ein neues Zuhause suchen. In Zusammenarbeit mit der EU sollte sich die Schweiz für einen Schutz der Aussengrenzen und eine proportionale Aufnahme von Asylberechtigten einsetzen. Weder die Schweiz noch Europa können alle Menschen aus Krisengebieten aufnehmen. Die Integration solcher Menschen überfordert sowohl unsere Gesellschaft als auch unsere Infrastrukturen. Wir müssen in Zusammenarbeit mit der EU dafür sorgen, dass einerseits Flüchtlinge besser in ihrer Herkunftsregion betreut werden können, aber gleichzeitig die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dieser Länder verbessern, etwa durch eine stärkere Entwicklungszusammenarbeit aber auch durch Öffnung der Märkte in Form von entsprechenden Freihandelsabkommen. Zugespitzt gesagt: wer seine eigenen abgewiesenen Asylsuchenden aufnimmt, erhält bevorzugt freien Marktzugang für Güter und Dienstleistungen. 

Um den Dichtestress und den Wohnungsmangel in den Zentren zu reduzieren, braucht es Anpassungen bei der Raumplanung. Die heutige Raumplanung fördert das Wachstum in den Zentren. Es sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, dass zukünftig das Wachstum in weiteren Regionen stattfindet, damit mehr Arbeitsplätze und Wohnraum ausserhalb der Zentren geschaffen werden. Wohnen und arbeiten muss wieder vermehr am gleichen Ort möglich sein. Neben den Anpassungen in der Raumplanung braucht es sowohl auf Bundesebene als auch in Kantonen eine verstärkte Dezentralisation von Verwaltungseinrichtungen. Im Zeitalter der Digitalisierung und Home-Office Möglichkeiten besteht keine Notwendigkeit mehr, dass alle Verwaltungsstellen zentral an einem Ort sind. Es wäre wünschenswert und notwendig, wenn private Unternehmen ähnliche Überlegungen machen würden. Eine solche Politik entlastet einerseits die Verkehrsinfrastruktur und reduziert andererseits die Nachfrage nach Wohnraum in den grossen Zentren mit entsprechenden Auswirkungen auf die Mietpreise. 

Thomas Anwander und Zeno Staub
Nationalratskandidaten Die Mitte AWG Kanton Zürich

Quelle: Dieser Beitrag wurde in der Weltwoche 38.23 veröffentlicht.

 

 

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