Interview mit Schulpflege-Kandidierenden
Am 13. Februar wählt Winterthur eine neue Schulpflege – sechs heiss umkämpfte Plätze sind zu vergeben. Das Forum Winterthur hat sich im Vorfeld der Abstimmung mit je einer/m Kandidierenden von Mitte, FDP und SVP über die Anliegen, anstehende Aufgaben und weitere wichtige Themen unterhalten.
1. Für welche Anliegen wird sich Ihre Partei in der neu formierten Schulpflege einsetzen?
Markus Fischer: Sie setzt sich für eine dynamische Volksschule ein. Eine Schule, die sich an den Bedürfnissen der Gesellschaft ausrichtet und der es gelingt, mit den sich stetig verändernden Rahmenbedingungen Schritt zu halten und die Kinder auf das Leben und die Zukunft vorzubereiten.
Gabriella Gisler: Wichtigstes Anliegen ist, dass der Schulalltag funktioniert, die Aufgaben und Befugnisse gemäss der neuen Gemeindeordnung so implementiert werden können, dass reibungslose Abläufe und Verantwortlichkeiten klar geregelt sind und dabei der administrative Aufwand auf das Nötigste beschränkt wird. Kurz: das Tagesgeschäft muss funktionieren.
Christoph Portmann: Uns ist es wichtig, dass die Verankerung der Schuleinheiten in den Quartieren weiterhin gewährleistet ist und die entsprechenden Ansprechpartner in der Bevölkerung bekannt sind. Zudem gilt es, die neue Schulpflege mit allen ihr übertragenen Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen richtig zu implementieren und entsprechend diese sinnvoll zu delegieren.
2. Wie sehen Sie die Rolle und die Aufgaben des neuen Gremiums?
CP: Strategische Entscheidungen, die gesamtstädtische Koordination aller involvierten Stellen (DSS, Leitung Bildung, Schulleitung, etc.), sowie die Gesamtleitung und die Aufsicht sind die wichtigsten Schwerpunkte. In der Anfangsphase ist die Leitung Bildung personell, mit entsprechendem Stellenbeschrieb und den AKVs zu implementieren. Die Zusammenarbeit mit dem DSS als Dienstleistungsbetrieb unter der Leitung des zuständigen Stadtrats muss klar geregelt werden.
MF: Die Schulpflege setzt als strategisches Gremium die richtigen Rahmenbedingungen, damit die Schulen ihren Bildungsauftrag optimal erfüllen können. Im Gegensatz zur bisherigen Organisation hat die neue Schulpflege auch eine direkte Führungsverantwortung für die ihr unterstellten Leitungen Bildung und indirekt auch für die Schulleitungen. Schlanke Strukturen, effiziente Abläufe und eine sinnvolle Verteilung der Kompetenzen sollen es den Schulen ermöglichen, sich auf ihre pädagogische Arbeit zu konzentrieren.
GG: Die Aufgaben des neuen Gremiums sind gesetzlich geregelt. Die Rolle sehe ich als ein Drehkreuz zwischen den Ansprüchen der Gesellschaft (Eltern, Kinder), Verpflichtung der Schule (gesetzlicher Auftrag) und den Möglichkeiten der Verwaltung (Personalwesen, Infrastruktur). Es gilt hier vorausschauend die Strategie immer wieder anzupassen.
3. Die Qualität der Schule beeinflusst die Attraktivität der Wohnstadt Winterthur als Ganzes. Was verstehen Sie unter Qualität in der Volksschule und wie soll diese gefördert werden?
GG: Die Qualität hängt mit dem Personal, der Infrastruktur und den Planungsvorgaben zusammen. Hier möglichst die optimalen Voraussetzungen zu schaffen indem wir stets an den qualitativen Anforderungen dranbleiben und nachrüsten, ist m.E. die grösste Herausforderung.
CP: Alle Kinder sollen optimal gefördert, gefordert und integriert werden unter Einbezug aller beteiligten Personen. Wichtig ist die Methodenfreiheit der einzelnen Lehrkräfte im Rahmen der Vorgaben. Neu gibt es keine Schulkreise mehr, was die Schulhauszuteilung der Kinder in gewissen Gebieten vereinfachen kann. Zudem müssen bürokratische Prozesse schlanker gestaltet werden, auch durch Digitalisierung, damit alle Beteiligten sich verstärkt auf ihre Hauptaufgaben konzentrieren können. Die Schulraumsituation, auch im Zusammenhang mit Betreuungsformen, muss rasch und frühzeitig bedarfsgerecht angepasst werden, um optimale Lernverhältnisse zu schaffen.
MF: Qualität kann nicht von oben verordnet werden. Es braucht aber die richtigen Rahmenbedingungen, damit sich Qualität entwickeln kann. Zudem braucht es ein gemeinsames Verständnis für Qualität. Um das zu erreichen, ist es nötig, einen intensiven Dialog über alle Führungsebenen hinweg zu diesem Thema zu führen. Eine hohe Qualität der Volksschule muss sich letztlich im Unterricht widerspiegeln, zum Wohle der Kinder.
4. Die Digitalisierung ist überall in der Verwaltung ein grosses Thema – gerade im Bereich der Schule gäbe es viel Aufholbedarf. Was gedenken Sie zu tun?
MF: Im Unterricht sorgt die Schule bereits heute für einen gewinnbringenden Einsatz digitaler Medien. Bei den administrativen Prozessen gibt es Aufholbedarf. Diverse Abläufe sind für Lehrpersonen und Schulleitungen unnötig kompliziert. Arbeitsprozesse sollen durchgängig digital und medienbruchfrei abgewickelt werden können. Dazu braucht es eine klare Strategie und eine enge Zusammenarbeit zwischen der Schulpflege, dem Departement und den übrigen städtischen Bereichen.
CP: Neben der Prozessdigitalisierung (siehe Frage 3), welche im Schulbereich grosses Potential hat, gilt es auch digitale Lernmethoden zu fördern und wo nötig, die Lehrpersonen mit den aktuellen digitalen Möglichkeiten vertraut zu machen. Hier ist es wichtig, dass gesamtstädtisch dieselben Möglichkeiten und Regeln zum Zug kommen.
GG: Die Stadt Winterthur wird in naher Zukunft, jede/n Schüler/in mit einem eigenen Tablet ausrüsten, um so die Chancengleichheit zu gewährleisten. Mit der Digitalisierung ergeben sich in der Schule neue pädagogisch sinnvolle Lernmöglichkeiten. Diese gilt es zu nutzen, die Anwendung kann erlernt werden. Jedoch ersetzt ein Tablet nicht den interaktiven, sozialen und respektvollen Unterricht im Klassenverband.
5. Die Kosten der Sonderschule laufen aus dem Ruder. Was gedenken Sie zu tun?
GG: Für die Organisation /Betrieb der Sonderschulen ist neu der Stadtrat zuständig. Hingegen ist für die Zuweisung der sonderpädagogischen Massnahmen die neue Schulpflege zuständig. Ist eine medizinische Indikation gegeben, so hat der/die Schüler/-in einen gesetzlichen Anspruch auf die entsprechende Massnahme. Die Aufgabe wird sein, entsprechende Gesuche genau zu hinterfragen, um so die sinnvollste Zuweisung zu veranlassen.
MF: Externe Sonderschulsetting sind oft teuer. Die Integration in der Regelschule soll der Normalfall bleiben. Damit nicht die Lehrpersonen die Leidtragenden sind, muss das «System Schule» gestärkt werden. Die Schulen brauchen Gestaltungsspielraum und grössere Flexibilität, um die die knapp vorhandenen finanziellen Mittel möglichst sinnvoll einzusetzen. Mittel sollen vermehrt auch präventiv eingesetzt werden können, um Sonderschulsettings zu verhindern.
CP: Eine möglichst frühe, vorschulische Abklärung und Förderung der einzelnen Kinder kann die weitere Entwicklung positiv beeinflussen. Hier besteht Handlungsbedarf, damit die Kinder beim Eintritt in die Schule den sprachlichen und sozialen Anforderungen gerecht werden. Die hier anfallenden Kosten entlasten die späteren Sonderschul- und sonderpädagogischen Massnahme-Kosten erheblich.
6. In Winterthur wollen immer mehr Kinder ins Gymi, statt eine Lehre zu machen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
CP: Unser Duales Bildungssystem ist ein Erfolgsmodell und ermöglicht den weiteren Weg in höhere Fachschulen, Fachhochschulen, etc. Die sehr hohe Durchlässigkeit der Ausbildungswege im dualen Bildungssystem muss besser bekannt gemacht werden, um diesen Bildungsweg der breiten Bevölkerung bekannt und beliebt zu machen.
GG: Einerseits spricht das für das hohe Niveau unserer Schulen, dass immer mehr Kinder die Aufnahme ins Gymnasium schaffen. Andererseits muss auch aufgezeigt werden, dass eine Berufslehre sehr attraktiv ist. Da kann man sogar Weltmeister/-in werden! Dank dem dualen Bildungssystem ist es mit einer Berufslehre möglich später ein Studium -auch an der ETH – zu absolvieren.
MF: Wir verfügen über eine hervorragende Berufsbildung. Gelingt es, die Eltern von der Qualität der Volksschule zu überzeugen, kann dem Trend entgegengewirkt werden. Gute Sekundarschulen sind durchaus eine ernsthafte Konkurrenz für das Langzeitgymnasium. Eine ausgewogene Berufswahlvorbereitung kann Jugendlichen den Wert der Berufslehre näherbringen. Nicht zuletzt soll die Qualität unserer Volksschule auch offensiver kommuniziert werden.
Anmerkung der Redaktion: Die Interviews wurden schriftlich geführt.
Red: ms
Kurzportraits der Interviewten:
Christoph Portmann, 1958, Mitte: Ehemaliger Vizepräsident der Kreisschulpflege Mattenbach, Vater von zwei erwachsenen Kindern. Diplomierter Sozialpädagoge und Coach, grosse Erfahrung in der IT-Branche und Berufsbildung. Mehr Infos: https://www.christoph-portmann.ch
Gabriella Gisler, 1962, SVP: Seit 2012 Stadtparlamentarierin, Mitglied Kommission für Bildung, Sport und Kultur, Vorstandmitglied SVP Oberwinterthur. Mehr Infos: https://www.svp-winterthur.ch/personen/gabriela-gisler/
Markus Fischer, 1958, FDP: Langjähriger Leiter von Bildungsinstitutionen, Organisationsberater und Evaluator, aktuell Leiter Bildung und Mitglied der Geschäftsleitung der Stadt Bülach, Vater zweier erwachsener Kinder. Mehr Infos: https://fokusplus.ch/
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