15.09.2025 | Lucia Angela Cavegn
Ausstellung «There’s a crack – in everything»
17 Künstlerinnen und Künstler stellen bis zum 28. September im Kunsthaus Elsau aus. Das wäre auch für eine Gruppenausstellung in einem der städtischen Museen eine beachtliche Anzahl. Das Kunsthaus Elsau hat sich in den vergangenen 10 Jahren zu einer bedeutenden Kulturinstitution der Region Winterthur gemausert, wo regelmässig Ausstellungen zur zeitgenössischen Schweizer Kunst stattfinden. Zudem besitzt das Kunsthaus Elsau eine eigene Kunstsammlung mit den Schwerpunkten französischer Kunst des 19. Jahrhunderts und Winterthurer Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts.
Qualitätvolle Kunst erwartet man in der Stadt – weniger auf dem Land. Allerdings hat sich in den vergangenen 20 Jahren die städtische Galerienlandschaft ausgedünnt, so dass es für Kunstschaffende immer schwieriger geworden ist, ihre Werke auszustellen. Instagram ist ein schlechter Ersatz für Ausstellungen, denn der gedankliche Austausch und das gesellige Beisammensein zum Beispiel an einer Vernissage ist für alle Beteiligten ein soziales Erlebnis.
Im beschaulichen Elsau, zum Agglomerationsgürtel von Winterthur zählend, gibt es zwei Kulturinstitutionen, die auf dem mäzenatischen Engagement von Privatpersonen beruhen und welche gemeinsam den Skulpturenweg Elsau ins Leben gerufen haben. Der zweite Kulturort, IM TENN (knapp 300 m vom Kunsthaus Elsau entfernt), zeigt aktuell ebenfalls eine Kunstausstellung mit internationalen Positionen. Jürg und Margrith Bischofberger haben mit dem Kunsthaus Elsau einen Ort der Begegnung und eine wichtige Plattform für Kunstschaffende geschaffen. Nebst Betreiber dieser privat getragenen Institution sind sie grosszügige Gastgeber. Auf Vermittlung von Giampaolo Russo, Künstler und Kurator aus Zürich, haben sie 17 Künstlerinnen und Künstler unterschiedlichster Herkunft dazu eingeladen, in ihren Ausstellungsräumen aktuelle Arbeiten zu präsentieren. Zudem fanden hier die Vorbereitungsgespräche statt.
Spannend an diesem Ausstellungsprojekt ist die Tatsache, dass sich die 17 Beteiligten teilweise noch nicht persönlich kannten und die Gruppe sich zuerst finden und organisieren musste. In Form eines basisdemokratischen Prozesses wurden Aufgaben und Rollen definiert – und es hat erstaunlich gut funktioniert. Das Resultat lässt sich sehen: Die vom vierköpfigen Kuratoren-Team konzipierte Präsentation wirkt in sich stimmig, obschon die Ausstellung ganz verschiedene Positionen vereint. Alle Beteiligten hatten eine bestimmte Anzahl von Werken vorgeschlagen, aus welchen das Kuratorium eine Auswahl traf und in der Ausstellung so kombiniert hat, dass ästhetische Verwandtschaften und inhaltliche Affinitäten zur Geltung kommen. Andere haben sich um die Website, um die Werbung und um das Fundraising gekümmert.
Der Titel der Ausstellung lautet «There’s a crack – in everything» und stammt aus Leonard Cohens Song «Anthem» – im Deutschen mit «Hymne» zu übersetzen – aus dem Jahr 1992. Die Liedzeile besagt, dass in allem ein Riss ist, was metaphorisch zu verstehen ist. In der Folgezeile wird die Bruchstelle als Verheissung gedeutet: «That’s how the light gets in», «so kommt das Licht herein». «Anthem» ist ein Loblied auf die Risse, Brüche und Fehlstellen in Leben und die der Verletzlichkeit entspringende, durch das Licht symbolisierte Erkenntnis oder gar Erleuchtung. Cohens persönliche Hymne schildert sinnbildlich eine Situation, wo im Innern Dunkelheit herrscht. Das Innere ist mitgemeint und kann vieles bedeuten. Cohen besingt ebenso die Dringlichkeit (eine Liedzeile lautet «Ring the bells that still can ring») wie die Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz. Die Herausforderungen der Zeit haben sich seit den 1990er Jahren, als Cohen den Song geschrieben hat, verschärft. Wir alle kennen wir das Gefühl von Unsicherheit, als sässen wir im Dunkeln, nicht wissend, was die Zukunft bringt: Das Gebälk der demokratischen Weltordnung ächzt und knackt; der Klimawandel bringt die Welt ins Schwitzen; und wohin die Digitalisierung führt, steht noch in den Sternen.
Einen Bruch, Spalt oder sonst eine Lücke habe ich weder in der Gruppe noch im Resultat ihrer beindruckenden, gut harmonierenden Zusammenarbeit festgestellt – vielleicht weil man sich von Anfang an genügend Freiraum gelassen hat.
Die 17 beteiligten Künstlerinnen und Künstler haben den Ausstellungstitel «There’s a crack – in everything» sehr individuell interpretiert und bildnerisch umgesetzt. Die Schau umfasst nebst figürlichen und landschaftlichen «Darstellungen» auch ungegenständliche «Umsetzungen». So widmen sich einige Werkgruppen der Landschaft als Resonanz- und Reflexionsraum, andere befassen sich mit organischen und anorganischen Strukturen, mit Konstruktionen, Texturen oder gestischer Expression. Im Erdgeschoss sind jene Arbeiten ausgestellt, die das Thema durch Figuration zum Ausdruck bringen. Ebenso breit wie die Stile ist die Palette der verwendeten Techniken und Materialien. So unterschiedlich die Herangehensweisen auch sind, so wichtig ist der rote Faden, das Einfühlungsvermögen, die Fähigkeit zur Wahrnehmung bis hin zu den feinsten Fissuren. Die Ausstellung ist das Resultat einer beeindruckenden, stimmigen Zusammenarbeit und besticht durch poetische Arbeiten, die ganz ohne Pathos auskommen. Das macht sie so zeitgemäss.
Lucia Angela Cavegn
Ausstellungsdauer und Öffnungszeiten:
Bis 28. September 2025, Sa/So 14 bis 18 Uhr
Eintritt frei
Veranstaltungen:
Artist Talk: Sonntag, 21. September 2025, 15 Uhr
Finissage: Sonntag, 28. September 2025, 16 Uhr
Informationen zur Ausstellung und den beteiligten Kunstschaffenden:
www.thereisacrack.ch
Adresse und Kontakt Kunsthaus Elsau
Kunsthaus Elsau
Strehlgasse 10
8352 Elsau
Telefon: 052 363 21 14
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