31.05.2021

Achtung vor Begehrlichkeiten

Auch wenn der Frühsommer eher dem Herbst gleicht: die Zeichen für einen starken Aufschwung mehren sich. Aufbruchstimmung in der Realwirtschaft tut gut, auch wenn die Finanzwirtschaft ein wenig schlucken muss. Kräftig gestiegene Rohwarenpreise und corona-bedingte Engpässe in der Produktion lassen Inflationssorgen und damit auch die Zinsen steigen. Das ist nicht gut für die Finanzmärkte.

Solange der Inflationsanstieg aber nur temporär bleibt, sollten die Zentralbanken ihre Geldpolitik noch nicht fundamental ändern müssen. Gute Chancen also, dass der Aufschwung jetzt auch bei uns endlich Fuss fassen kann und höhere Wachstumserwartungen einen moderaten Zinsanstieg kompensieren können.

Für die Unternehmen vieler Branchen wird der internationale Wettbewerbsdruck (z.B. gescheitertes Insta, OECD-Steuerinitiative) im grundsätzlich positiven Umfeld weiter zunehmen. Hiervon betroffen sind auch lokale Zulieferer. Der Wohlstand für die nächste Generation ist in der Schweiz keinesfalls gesichert. Deshalb ist von der Politik finanzielle Nachhaltigkeit einzufordern: Die AHV muss z.B. dringend saniert und die Corona-Schulden sollten nicht auf die nächste Generation übertragen werden. Aber auch Initiativen, welche die Innovationsfähigkeit von Unternehmen unterminieren oder die Arbeitskosten verteuern, dienen der Allgemeinheit nicht.

Die im März des vergangenen Jahres eingeführten Massnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben zu einer unausweichlichen starken Rezession der Weltkonjunktur geführt. Global lag die Wirtschaft am Boden und Staaten mussten mit Eingriffen schlimmeren Schaden verhindern. Mehr als ein Jahr danach dürfen wir konstatieren, dass mutige und gross angelegte Programme das Schlimmste überwinden konnten. Wieder einmal sind es die Vereinigten Staaten von Amerika, die als erste aus der Rezession kommen. Im Schnitt der letzten drei Rezessionen haben die USA im sechsten Quartal nach Rezessionsbeginn das Vorkrisenniveau der Wirtschaftsaktivität wieder erreicht. Diesmal war das bereits nach fünf Quartalen der Fall. Europa und die Schweiz liegen diesbezüglich noch etwas zurück. Einzigartig im Vergleich zu vorhergehenden Krisen ist diesmal die Grössenordnung.

Der Einbruch der Volkseinkommen im vergangenen Jahr war dramatisch tief. Auch das Ausmass der Reaktionen der Politik waren sowohl bei den fiskalischen Ausgaben als auch bei der Gestaltung der Geldpolitik noch nie dagewesen gross. Starke Konjunktureinbrüche bergen zudem die Gefahr lange anhaltender negativer Effekte. So müssen wir damit rechnen, dass das Trendwachstum im nun langsam einsetzenden Aufschwung in den kommenden Jahren nochmals niedriger ausfällt als im vergangenen Jahrzehnt. Dabei werden die notgedrungen ab dem nächsten Jahr wohl wieder kleiner ausfallenden Budgetdefizite eine wichtige Rolle spielen. Denn wenn zunehmende Staatsausgaben eine wachstumsunterstützende Wirkung haben, werden sinkende Staatsausgaben wohl auch die gegenteilige Wirkung entfalten. Fiskalpolitik vermag zwar der Konjunktur zu helfen, ist im Wesentlichen aber einfach eine Verschiebung der Nach-frage auf der Zeitachse. Ein Mehr heute führt – zumindest bei einer nicht komplett ausufernden Verschuldungspolitik – eben immer auch zu einem Weniger morgen. Aber die grossen staatlichen Ausgabenprogramme in den USA und der EU laufen erst an und somit steht vieles im Zeichen von Mehr. Ganz nach dem Motto: Der Aufschwung kommt und er wird stark!

Winterthur Consulting Group AG
Rolf Gloor / Dr. Ralph Peterli

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